ETHOS. Ethische Praktiken in ästhetischen Theorien des 18. Jahrhunderts

Forschungsprojekt des Schweizerischen Nationalfonds

Die Aufklärung ist davon überzeugt, dass weder der freie Wille noch die
reine Vernunft, sondern Erziehung, Ausbildung und Übung den Menschen zum guten Handeln bewegen. Daher spielen entsprechende Anweisungen und Anleitungen auch in ihren ästhetischen Theorien eine entscheidende Rolle. Das Forschungsprojekt
ist im Bereich der Begriffs-, Problem- und Ideengeschichte angesiedelt. Es
wendet sich dem tiefgreifenden Zusammenhang von Ethik und Ästhetik zu, der
zwischen 1720 und 1800 die deutschsprachigen ästhetischen Schriften
beschäftigt.

Im 18. Jahrhundert gilt als schön, was nützt, erfreut und belehrt. Kunst ist
nicht um ihrer selbst willen da, sondern sie ist in einen gesellschaftlichen
Kontext eingebettet, in dem ihr bestimmte Aufgaben zukommen. Auf der
methodischen Grundlage der Praxeologie widmet sich das Forschungsprojekt den
Funktionen solcher Handlungsanweisungen und -anleitungen in ästhetischen
Theorien, die als ethische Praktiken verstanden werden. Die Praktiken lassen
sich in drei Gruppen zusammenfassen, die unterschiedliche Aspekte betonen: ein
‚gutes‘ Leben, eine ‚gute‘ Darstellung und eine ‚gute‘ Sinnlichkeit. Einerseits
sollen die zentralen ethischen Praktiken anhand ausgewählter Quellen
systematisch identifiziert und analysiert werden. Andererseits sollen die
ethischen Praktiken in den ästhetischen Schriften des Schweizers Johann Jacob
Bodmer (1698-1783) exemplarisch untersucht werden.

Im 20. und 21. Jahrhundert wird die moralische und politische Verantwortung
der Kunst in ästhetischen Theorien neu verhandelt. Kunst ist nicht mehr nur
schön, sondern hat auch Teil an einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.
Das Forschungsprojekt leistet einen Beitrag zur alternativen Geschichte der
ästhetischen Theoriebildung, die Praktiken einen zentralen Stellenwert
zuschreibt: Mit dieser Geschichte geht es – emphatisch gesprochen – um eine
ästhetische Theorie, deren Massstab nicht die Kunst, sondern das Leben bildet.

Projektleitung: Prof. Dr. Frauke Berndt (Deutsches Seminar UZH)

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